Menschenkette der Atomgegner in Hamburg-Altona. Ein Kommentar.
Nein, was war das schön, diese Menschenkette mitten durch Hamburg, vom AKW Brunsbüttel bis zum AKW Krümmel. Die Kernkraft lockt die Menschen hinter den Öfen hervor in den strahlenden Sonnenschein eines Samstagnachmittags. Sonst zeigt man auch kaum Flagge, aber wenn es gegen Atomstrom geht, dann steht man dicht an dicht. Woran liegt das?
Zu tun gäbe es genug, es brennt an allen Ecken und Enden. Nur hier sind sich sehr viele Menschen plötzlich nicht zu schade, etwas zu tun. Erfreuchlich eigentlich.
Es war ein gigantischen Happening und alle wollten ins Fernsehen oder auf die Titelseiten. Bei regelrechtem Kaiserwetter zeigten sehr viele Bürger Angst und Besorgnis wegen der Kernkraft und des Atommülls, der länger strahlt und extrem giftig ist, als es die Menschheit vermutlich geben wird. Wenn sie so weitermacht – so wenig konsumiert und so wenig Umweltautos kauft.
Jedenfalls war es auch ein willkommenes Medienereignis. Und jeder, der eine Zeitung besitzt, eine Website oder einen Blog, einen Facebook und/oder Twitter-Account musste darüber berichten, filmen oder fotografieren. Will ja jeder was abhaben vom Kuchen. Will ja jeder dabeigewesen sein, will ja jeder für die Zukunft seiner Kinder und gegen die teuflischen Seischaften der Atomlobby etwas tun.
Eine der wenigen Aktionen, zu denen sich der gemeine deutsche Bürger – bei Sonnenschein – hinreißen lässt. Wenn nur alles immer so einfach und klar wäre!
Es war die Stunde der Stromhändler, Bio-Krämer, Regenwaldschützer und Anti-Genmanipulatoren. Am Besten, man schloss gleich einen Stromvertrag mit Lichtblick, um sein schlechtes Umweltgewissen, wege der zwei CO2-Schleudern in der Tiefgarage wenigstens bis Dienstag in den Griff zu kriegen. Sein Nachwuchs konnte mit einem erflogreichen Schuss auf die Torwand einen ganzen qm2 Regenwald retten. Vielleicht nagelt man sich so ein Stückchen Regelwald man mächtig ans Knie …
Nein, es tut mir leid. Diese Menschenketten-Aktion wider der Atomkraft war gut und schön und richtig und notwendig. Dennoch bemängele ich, dass einem ständig irgend etwas angedreht werden soll – insbesondere an den markanten Stellen, wie etwa den Landungsbrücken. Es ist zwar geschäftstüchtig, aber nicht gerade kreativ. Ich fühlte mich belästigt. Es ist ja mitnichten so, dass Lichtblick eine wohlmeinende Genossenschaft wäre, die ein tiefgreifendes Umdenken der Menschen propagiert.
Als Strafe für alle, die nur gegen Atomkraft und bei Menschenketten den Arsch hoch bekommen, habe ich dieses Video auserkoren. Eine Arbeiter-Kapelle aus dem Jahre 1897 in Altona bei der Menschenkettenreaktion:
Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, wenn Du auch ein Arbeiter bist!
Die Auswüchse einer ansich sinnvollen Protest-Bewegung kann ich nicht anders als (auch) zynisch bewerten. Denn dazu fehlt es an gelebten Werten und Bürger-Engagement an vielen anderen Stellen. Was könnten wir alles bewegen? Kaum jemand hätte Macht noch Möglichkeit uns zu verarschen – dein Unternehmen nicht, dein Gemüsemann nicht, deine Zeitung nicht.