Auf dem Weg zu einer gerechteren Stadt
Der Schwarz-Grüne-Senat in Hamburg schickt sich offenbar an, sensible Wohnquartiere und ihre Menschen in Hamburgs innerer Stadt vor schlimmeren Verwüstungen im Zuge der sogenannten Gentrifizierung zu schützen. Zusammen mit dem erfreulichen Rücktritt des umstrittenen Finanzsenators Freytag (CDU) glimmt mit der Sozialen Erhaltensverordnung endlich ein helles Lichtlein am Ende des Elbtunnels.
Wie das Hamburger Abendblatt am letzten Donnerstag berichtete, will der Senat mit einer „Sozialen Erhaltensverordnung“ ab 2010 die Hamburger „Szene vor Schickimicki schützen. Macchiato-Stopp nennt es die TAZ und damit, dass sich die sogenannten Szeneviertel auch dadurch auszeichnen, das an jeder Straßenecke ein beknackter Coffee-Shop die Shopping-Fans zu einem trendigen Latte mit Schnickschnack-Aroma einsaugt.
Das Instrument der Sozialen Erhaltensverordnung soll „die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen sowie die mit Mietpreissteigerung verbundene Luxussanierung verhindern“, „die dortigen Mieter vor Preissteigerungen schützen und so die Bevölkerungsmischung erhalten.“ (DIE WELT)
Ich wusste nicht, das einen solche „Soziale Erhaltungsverordnung“ beispielsweise für das Portugiesenviertel zwischen Landungsbrücken und Gruner + Jahr (die der Grund dafür waren) die Menschen dort seit 1998 vor dem rücksichtslosen Gebrauch der Geldwaffe schützt.
Zuerst Eppendorf und viel später (seit Ende der 90er-Jahre auch Winterhude) wurden an die Schickimickis verloren. Eimsbüttel ist ein weiter Fall, den man im Grunde aufgeben kann. Ach hier wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist, in teures und teuerstes Eigentum umgewandelt. Aber wer möchte schon neben klischeelebenden Büroschrecksen und hochdotierten Headhuntern wohnen?
Ah, da fällt mir der Song „JA JA JA JA JA!“ der „GängeAllstars“ ein, die so richtig gar nichts mit den Gängeviertel-Leuten zu tun hatten und sich nicht so hätten nennen brauchen. Der Song und das Projekt biedert sich etwas zu sehr an den kreativen Protest der Initiative „Komme in die Gänge“ an. Der Text greift zwar die die Ideen der „Recht auf Stadt“-Bewegung auf, diese sind aber kaum wirklich widerzuerkennen ist. Der Song will nicht recht zu der Bewegung passen. Was, wenn man selber längst im eigentümlich verwandelten, ehemals günstigen Altbau wohnte?
Komm ich gez in Fernsehn? www.youtube.com/user/GaengeAllstars
Doch zurück zu Thema. Durch die „Soziale Erhaltensverordnung“ sollen vorerst folgende Wohngegenden berechtigt vom Zugriff der Aasverwerter und arschkalten Profiteure geschützt werden: St.Pauli um den Paulinenplatz und Wohlwillstraße; Karoviertel an der Marktstraße; Ottensen zwischen Lessingtunnel und Mercado; St. Georg an der Koppel.
Die das die Wende in der Stadtentwicklungs-Politik der Hansestadt Hamburg? Ist das schon der Sieg der „Recht auf Stadt“-Bewegung? Wenn wir den Erhalt des Gängeviertels und den vorläufigen Stopp der Moorburgtrasse miteinrechnen? Oder sollen diese Maßnahmen lediglich die Bevölkerung beruhigen, wie naturgemäß der Grundeigentümerverband Hamburg mutmaßt. Der Grundeintümerverband sieht sich durch solche Verordnungen natürlich um die eine oder andere Yacht auf Malle geprellt. Man sorge sich um Fassaden und Bausubstanz, die durch solche Verordnungen um Jahre vernachlässigt wurden. Dabei hat man natürlich noch nie von gemäßigten und menschenfreundlichen Sanierungen gehört. Sanierung und Erhaltung scheint sich für sture Geldsäcke scheinbar auszuschließen.
Apropos auschließen: Was sind wir froh, dass der endlich weg ist: Finanzsenator Michael Freytag, der mit seinen Rücksichtslosigkeiten in der Hansestadt sehr viel Unfrieden gestiftet hat, begann gestern mit der Grundsteinlegung für das neue Kreuzfahrtterminal II in Altona seine letzte Amtshandlung. Hamburg sagt Tschüß. Seine letzten Senatorentage verbringt er stilgemäß auf einer Immobilienmesse in Cannes und da hat er gut lachen. Schon wird gespottet, wie die Hamburger Morgenpost weiß, dass man das neue Kreuzfahrtterminal „Michael-Freytag-Gedächtnis-Terminal“ taufen sollte.
Denn immerhin hatte er die Scheußlichkeiten einer Politik, die einseitig nur dicke, fette Fische an die Elbe vorlässt und die kleinen, alteingesessenen Stinte, die den Charme der Stadt maßgeblich prägen, verschlucken, verdrängen und verdächtigen, maßgeblich mitzuverantworten. Gestürzt ist er aber über die unsäglichen Verwicklungen der HSH-Nordbank.
Doch zurück zu etwas erfreulicherem. Die Intitiative No BNQ kann das sogenannte Bernhard-Nocht-Quartier mitten in St.Pauli gegenüber den riesigen Bausünden des Brauviertels vom Investor Köhler & von Bargen vom feinen Mittelweg an der Alster für unter 10 Millionen Euro zurückkaufen. Ich weiß zwar nicht, wie man das Moos herankarren will, doch man hofft hier offenbar auf das Freiburger Mietshäuser Syndikat, das selbstverwaltete Wohnprojekte unterstützt. Erstmal aber ist wichtig, das der Investor keinen Bock mehr auf den ganzen Ärger hat. Recht so. Ich freue mich immer, wenn die Lümmel im Edelzwirn vor den normalen Menschen kapitulieren müssen.