Springer verkauft das Hamburger Abendblatt
Springer macht ernst. Der Berliner Verlag, der einst seine größte Dependance in Hamburg hatte, verkauft die Reginalblätter Berliner Morgenpost und das Hamburger Abendblatt, sowie die altehrwürdige Hörzu. Die Funke-Gruppe, (ehemals WAZ) will knapp eine Milliarde Euro dafür hinblättern, wenn das Kartellamt diesem Deal zustimmt. Das bedeutet zwar, dass diese Zeitungen weiterhin erscheinen werden, aber als sicher gilt, dass es dort zu erheblichen Änderungen kommen wird. Für viele Hamburger, so denke ich, wird es schwer werden, sich weiterhin mit dem Abendblatt – IHRER Hamburg-Zeitung – zu identifizieren. Und das lässt nichts Gutes ahnen.
Sicher, die FAZ meint: „Für die Anbieter von Qualitätsjournalismus, der sich auch oder vor allem auf gedrucktem Papier präsentiert, muss der Absprung Springers kein schlechtes Zeichen sein. Nebenbei fragt man sich, was Springers Kampf um das Leistungsschutzrecht für Verlage eigentlich sollte. Ein Verlag ist Springer die längste Zeit gewesen.“
Man drängt nun mit Macht weiter ins Online-Geschäft. BILD-Chef Diekmann hatte die letzten rund 9 Monate im Sillicon Valley verbracht, um sich von den „Machern“ der „digitalen Revolution“ zu lernen, wie man Schritt hält als Verlag und richtig viel Geld verdient im Internet. Nach der großzügigen Suche nach neuen Geschäftsmodellen, wurde der Deal mit dem Zeitungsverkauft eingefädelt. Ob diese Rechnung aufgeht, wird sich erweisen. Print wird nicht sterben, auch wenn viele junge Netzuser kaum noch Zeitung lesen. Das muss nicht so bleiben.
Natürlich, es wird immer deutlicher, dass sehr guter Qualitätsjournalsmus überlebenswichtig ist. Sonst verdummen die User. Die Informationen müssen sortiert, recherchiert, bewertet und so aufbereitet werden, dass wir alle die Dinge nachvollziehn und versehen können. Das leistet nicht online, sondern guter Journalismus, der nicht unter dem Druck von „News“ und Schlagzeilen steht.
Schon seit Jahren hat sich der Springer-Verlag an die Netzgemeinde, die Blogger und Nerds, rangemacht. Regelrecht angebiedert an diese Zielgruppe hat sich die WELT mit ihrer Schmalhanshausgabe WELT KOMPAKT. Überall wo Camp und Netz war, da war auch WELT KOMPAKT und ihr Chefredakteuer. Gleichzeitig wurde das Online-Angebot vom Hamburger Abendblatt kostenpflichtig. Springer konnte sich dieses Experiment leisten, da mit der BILD immer genug Gewinn reinkam, um mit der Regionalzeitung online zu experimentieren. Nach einer Überarbeitung des Layouts des Abendblatts, sollte der User für die Abendblatt-Artikel online zahlen. Wer das gemacht hat, bleibt mir schleierhaft. Ich habe mich oft geärgert darüber, über die Headline in den Suchergebnissen auf einen Abendblatt-Artikel gestoßen zu sein, denn ich dann aber nicht lesen konnte. Ich habe nie gezahlt, weil ich es nicht eingesehen habe. So verstehe ich Online nicht, so verstehe ich Websites nicht. Das Hamburger Abendblatt hätte gar keine Internet-Präsenz gebraucht, wenn Springer ein eigenes Regional-Portal mit Community-Charakter und Stadtteilbezug aufgebaut hätte. Aber vielleciht macht man damit auch nicht genug Umsatz. Mag sein.
So bin ich sicher nicht der einzige, der enttäuscht ist von Springer. Ich finde es jedenfalls nicht gut, wenn aus dem Westen in unsere Angelegenheit reingeschrieben wird. Es könnte durchaus sein, dass dem Hamburger Abendblatt – nicht dem Print- und auch nicht dem Lokal-Journalismus – die letzte Stunde geschlagen hat. In diesem Zusammenhang, kann ich nur dazu aufrufen, diese Geschäftsmodelle mit Micropayment bei großen Verlagen nicht zu unterstützen. Es darf nicht vergessen werden, dass das Hamburger Abendblatt reichlich Umsatz macht. Das Print-Anzeigen-Geschäft ist sicher nicht eingebrochen, auch wenn die ABO-Zahlen rückläufig sind.
Spinger hätte sich aus Tradition zu Hamburg und seiner Zeitung bekennen können. Es kann doch nicht immer um Profitmaximierung gehen. Manche Sachen können sich selber tragen, ohne groß Gewinne abzuwerfen. Aus Traditio und Liebhaberei betreibt man sie. Geschäftsbereiche kann man erweitern und so neue Einnahmequellen erschließen. Aber wenn man sich von Amerikaner aus dem Sillicon Valley beraten lässt, kommt das wohl nicht in Frage. Die Rücksichtslosigkeit, mit der vorgegangen wurde, in dem man die vollendeten Tatsachen den Mitarbeitern vor den Kopf knallt, das hat man von der New Economy offenbar auch gelernt. Dies hat beim Abendblatt offenbar Tradition.
Der Medienexperte Steffen Grimberg stellte im Deutschlandradio Kultur fest: “ … die ‚Berliner Morgenpost‘ und das ‚Hamburger Abendblatt‘, ihre beiden Flaggschiffe in den beiden Städten, in denen Springer auch groß geworden sind … lange Tradition, das ‚Hamburger Abendblatt‘, die allererste Zeitung, die Axel Springer persönlich gegründet hat – da hat man sich auch gewundert, denn es galt immer so als sakrosankt, dieses wird eben nicht verkauft. Offensichtlich sieht Springer das tatsächlich so, dass man dort im digitalen Geschäft nicht so vorankommt. Man setzt jetzt nur noch auf die nationalen Marken „Bild“ und ‚Welt‘.“
Das Hamburger Abendblatt aber könnte strategeische Kopperationen mit unabhängigen, lokalen Blogs wie z.B. SOMMER IN HAMBURG eingehen, um sich besser bei den „Young Urban Professionals“ zu verankern und das Profil als modernen Medium zu stärken. Zum Beispiel. Wir werden mal beobachten, wohin die Reise geht. Das Hamburger Abendblatt gibt mir persönlich jedoch schon lange nichts mehr.
Foto: vil.sandi @ FLIRCK