Neues vom Bioleben: Sommermilch auf Öko-Hemd
Ja, so konnte es gehen. Die leckere Sommermilch kleckert aufs frisch bedruckte Biohemd. Man hatte extra eine echt Kuh auf den Hansaplatz in St. Georg gekarrt, um den neugieren Besuchern auf dem BIOerleben Markt zu zeigen wo sie herkommt die Milch. Denn es kann ja keinen Zweifel daran geben, dass wir Städter ein bisschen Plemplem sind. Sonst würden wir ja nicht in gigantischen Massen in diesen Betonwüsten leben. So war es aber ein wunderschöner Sommertag auf dem nicht überfüllten alten Marktplatz und es gab einiges zu entdecken. Das stelle ich mal vor.
Zunächst ein paar Vorbemerkungen, die wie üblich, meine ganz persönliche Meinung darstellen, eine Meinung, die ich mir mühsam erarbeitet habe. Also geht vorsichtig damit um.
BIO zum Essen – Die Sache mit den bio-dynamischen Lebensmitteln
In erster Linie, so hat es den Eindruck, ist BIO eine Begriff aus dem Marketing. Es soll ein Lebensgefühl, eine Haltung, etwas Bestimmtes transportieren und … darstellen. Und der Urbane Mensch hats nötig. Zuweilen bekommt man den Eindruck, im Biomarkt einkaufen sei ein Statussymbol. Es ist eine ernste Angelegenheit, denn hier geht es ums Ganze. Ganzheitlich. Es geht um die Gesundheit, ums Leben, um Kopf und Kragen. Kein Wunder also, dass der Bio-Supermarkt ein nahezu witzloser Ort ist. Früher gingen manche zu Lachen in den Keller – heute triffst du die im Biomarkt.
Hier ist es sauber und aufgeräumt. Ganz anders als in manchen Köpfer der Konsumenten, so mein Eindruck. Man will ohne schlechtes Gewissen einkaufen und verzehren. Dabei haben eine Menge Menschen alles Mögliche versucht, dieses schlechte Gewissen erst zu erzeugen. Also rettet man sich in den Bioladen. Aufatmen. Frei sein. Gesund. Ist auch Ok. Aber woher weiß man, ob das auch wirklich gesund ist? Woher weiß man das es BIO oder Öko oder „natürlich“ ist? Über die Siegel? Man muss vertrauen. Jeder Verbraucher muss vertrauen. Abgesehen davon, dass man nach heutigem Kenntnisstand die Menschen definitiv nicht ökologisch und politisch korrekt biologisch-dynamisch ernähren kann.
Bio-Lebensmittel kann sich nicht jeder leisten. Ob sie wirklich gesünder – vielleicht schadstoffärmer, aber auch nahrhafter? – sind, als herkömmliche Nahrungsgüter, wird sich zeigen. Spätestens an dem Tag, an dem du stirbst. Die Armen, Renterinnen und Hartz-IV-Empfänger, Niedriglöhner und Flüchtlinge, die eh eine geringere Lebenserwartung haben, können sich „das gute Essen“ also nicht leisten. Insofern ist BIO purer Luxus. Außer auf dem Land. Da ist da normal. Was Krankheit und Gesundheit betrifft, ist „gesundes“ Essen nicht nur relativ, sondern in gewisser Weise auch überbewertet. Siehe dazu die stets erhellende Lektüre vom Lebensmittelchemiker Udo Pollmer: Lexikon der populären Ernährungsirrtümer: Mißverständnisse, Fehlinterpretationen und Halbwahrheiten von Alkohol bis Zucker.
Hier ist es wie mit dem irgendwie deplatzieren Lachen im Biomarkt: Mal über den Tellerrand schielen wie es in anderen Ländern läuft. Und grundsätzlich mehr Skepsis zeigen. Aber das ist ein anderes Thema. Kommen wir also zurück zum eigentlichen Thema – den Entdeckungen bei BIOerleben-Fest in Hamburg 2012.Kommen wir zunächst auf den eingangs erwähnte Sommermilch zurück. Was der gemeine Mensch, den man täglich auf den Bürgersteigen und in den Einkaufszentren anrempelt, in seinem urbanen Umfeld gar nicht mitbekommt: Es gibt Jahreszeiten. Und Weidevieh, das seiner Bestimmung gerecht wird, steht nicht im Stall, sondern draußen auf der Weide. Bei jeder Witterung und zu jeder Jahreszeit. Und frisst, was der Boden hergibt. Jetzt sind De Öko Melkburen aus Lentföhrden (Schleswig-Holstein, nord-westlich von Hamburg) auf die Idee gekommen, dem Rechnung zu tragen und 4-Jahreszeiten-Milch auf den Markt zu … gießen. Was im ersten Eindruck nach einem holpriger Marketing-Gag klingt, ist tatsächlich eine runde Sache. Da die Kühe in den unterschiedlichen Jahreszeiten unterschiedlich fressen, muss sich das auch auf den Geschmack der Milch auswirken. Was es tut. Es gibt Wintermilch, Frühlingsmilch, Sommermilch und Herbstmilch. Jede schmeckt ein wenig anders, durch den unterschiedlichen Fettgehalt je nach Jahreszeit. Eine gute Idee. Mit Bioland-Siegel und gefördert aus dem Zukunftsprogramm Ländlicher Raum.
In diesem Zusammenhang noch ein kleiner Tipp zum an die Wand schlagen: Der Ernährungskalender für Eltern mit Kindern von 2 bis 6 Jahren (PDF downloaden mit Klick auf den Pfeil in dem schwarzen Kasten rechts oben).
Und die Sache mit der biokonformen Ernährung mal etwas aufzulocken, hier noch andere Themen. Denn BIO heißt ja nicht nur sauberes Essen, sondern auch saubere Kleidung. Und so fanden sich rund um den Hansa-Brunnen mit unserer Harmonia oben auf einige Zelte mit BIO-Fashion.
BIO zum Anziehen – Nachhaltige und faire Klamotten
Am Schönsten ist der Name fairliebt.com. Es handelt sich um ein Modelabel aus Hamburg, das auf Handarbeit, lösemittelfreie Dispersionsfarbe für die Aufdrucke auf den Shirts und Fair Trade setzen. glore Hamburg dagegen klingt ein wenig nach Chlor, stehen aber auch für „globally responsible fashion“. Das bedeutet nach eingener Aussage, wie schon beim Konkurrenten: Alles, was dort angeboten wird, ist unter ökologischen sowie sozialen Gesichtspunkten produziert, bio fair fashion.
Am Interessantesten für mich aber waren die 3Freunde, die klimaneutralen, bio-fairen T-Shirt-Druck anbieten. Sie drucken auch selbstgestaltete Motive auf die hochwerigen Materialien. Das ist für mich der Gag. Man kann Partner werden und einen eigenen Online-Shop eröffnen. So kann seine Web-Angebote um diesen Service erweitern und eigene Designs zum Verkauf anbieten. Funktioniert im Prinzip wie Spreadshirt, nur eben BIO, fair und klimaneutral. Gute Sache. Nette Leute. Leider nicht aus Hamburg.
Demnächst: Hamburger Klimawoche und Klimanacht 2012
In einem offenen Zelt traf ich Frank Schweikert vom Meeresforschungsschiff ALDEBARAN, der auch die Klimawoche in Hamburg mitorganisiert. Diese findet in diesem Jahr vom 24. bis 30. September 2012 im Unilever-Haus in der Hafencity statt. Darüber sind nicht alle glücklich, wie er erzählte, denn Unilever ist nicht gerade als nachhaltiges Bio-Unternehmen bekannt. Das Unilever-Haus am Strandkai an sich ist aber ein nachhaltiger Bau. Es ist Hightech nach höchsten Umweltstandards. Es verbindet Ökologie und Ökonomie, so wie soziale Aspekt. Aus diesem Grund ist das Gebäude im unteren Bereich auch frei zugänglich und bietet, wie jetzt zur Klimawoche, auch verschiedenen Veranstaltungen ein Zuhause.Brillant jedenfalls das diesjährige Titelbild der Klimawoche Hamburg. Die Elbphilharmonie als bionisches und damit klimaneutrales Gebäude, dass sich selbst mit Energie versorgt. Nach meinem persönlichen Dafürhalten, kommt das unserer Zukunft schon sehr nahe. Vielleicht noch 100 Jahre. Aber es läuft genau darauf hinaus: Sich selbst versorgende Häuser, mit Fassaden, die der Natur nachempfunden sind, deren sämtliche Flächen für Energie und Wärmegewinnung konsequent genutzt werden und thermodynamisch isoliert wurden. Wie gesagt: Ein grandioses Bild. Es gibt auch ein Nachtbild davon, für die Klimanacht im Rahmen der Klimawoche am 28. September 2012.
Übrigens: Es wird tatsächlich während der Klimawoche mit einem „Schaufelrad“ in der Elbe Strom erzeugt. Ein weiteres Thema, auf das wir an dieser Stelle zurück kommen ist das City farming.
Eine Frage hätte ich dann doch noch. Warum müssen wir ständig Getränke in Plastikfalschen oder Plastikbechern kaufen? Was nützt uns lecker Bio-Apfelmost in Plastikbehältern, die wir irgendwann in einem Weltmeer wieder finden? Plastik ist nicht gleich Plastik. Aber denken wir darüber nach? Es gibt schon zu 100% kompostierbare Behältnisse. Die PET-Plastik-Flasche hat im Vergleich zur Glasflasche eine bessere Billanz in Sachen Ressourcenverbrauch und klimaschädliche Emissionen. Allerdings nur dann, wenn es Pfand-Flaschen sind. Doch begegnet einem auf Schritt und Schritt pfandfreies PET. Das geht so nciht.Statt diese kleinen Apfelschorlenfläschchen auf einem Bio-Zukunftsmarkt an die Besucher zu verkaufen, könnte man das auch anders machen. Guter Apfelsaft aus dem 5-Liter-Behälter und Sprudel aus der Flasche. Live in Gläser mixen, auf die man Pfand nimmt. Aber nein. Es muss immer das Kurze, Schnelle, Billige sein. Oder?
Aporpos Ressourcenverbrauch. Ich konnte mich endlich mal direkt bei der Stadtreinigung Hamburg beschweren. Das wollte ich schon länger mal machen. Ich sprang drauf an, dass man beim Dosenwerfen so eine kleine Spielzeugtonne gewinnen konnte: „Dafür gebt ihr also unser Geld aus? Unser Müllgeld?!“
Die arme Frau, die sich das anhören musste. Aber ich nahm Fahrt auf. Es beginnt damit, dass man seinen Ausweis bei der Einfahrt in den Recylinghof vorzeigen muss, wenn das Autokennzeichnen kein Hamburgisches ist. Bitte? Ja, weil niemand sonst, auf dieser großen weiten Welt seinen giftigen, sperrigen, schädlichen Müll in den Hamburger Auffanglagern abgeben … darf. Wie kleinlich.
Deutschland ist mit Sicherheit das einzige Land auf der Erde, in der man Mülltonnen abschließen kann. Da gehts schon mal los. Und wenn ich meine Bude renoviere und Unmengen an Tapetenresten habe, darf ich die nur gegen eine erneute Gebühr beim Recyclinghof abgeben. Ist Hausmüll. Dabei zahle ich doch schon für den Hausmüll. Ich zahle und zahle und trotzdem. Und mit meinem Müll wird auch noch Geld verdient und trotzdem zahle ich. „Wissen Sie“, sagte ich zu ihr,“ da habe ich meinen blauen Sack Tapete genommen und in den nächstbesten Müllcontainer verfrachtet. Wundern sie sich mal nicht darüber. Andere karren ihn vielleicht in den Wald. Aber ich sehe das nicht ein, dass man da nicht kulant ist und wir ständig bezahlen sollen.“
Sie konnte argumentieren wie sie wollte, es half alles nichts. Ich bleibe dabei, dass die Müllverordnungen Dreck sind. Das Müllverarbeitung an den Landesgrenzen halt machen, was Müll und Dreck eigentlich nie tun, und man auch keine Rücksicht auf Geringverdiener, Familien und Leuten mit bescheidenem Einkommen nimmt. Das sehe ich nicht ein. Ich halte die ganze Sache mit dem Müll und den Recycling-Höfen für engstirnig und unflexibel, spießig und typisch Deutsch. So. Bitteschön.
www.bioerleben.info