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Initiative “Komm in die Gänge”: Offener Brief an Markus Schreiber

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Sehr geehrter Herr Schreiber,

am 2. September haben Sie zwei Häuser im Gängeviertel schließen lassen, die „Fabrik“ und die „Druckerei“. Mit der Begründung, dass es zu gefährlich sei, sich darin aufzuhalten. Sie behaupten sogar, dass sich deren Zustand im vergangenen Jahr verschlechtert habe. Jahrzehntelang hat sich die Stadt keinen Deut um die Gebäude geschert und Menschen zugemutet, unter unwürdigen Umständen darin zu wohnen – und nun soll es plötzlich zu riskant sein, sie auch nur zu betreten? Im Gegenteil: Das Gängeviertel steht weitaus besser da als noch vor einem Jahr. Und zwar dank uns, nicht dank ihnen. Wir haben eine Zahl für Sie: 2 Millionen Euro. Das wäre, würde es uns interessieren, wieviel wir in die Häuser bereits investiert haben, der Wert unserer geleisteten Arbeitsstunden. In diesen Stunden haben wir die Häuser gerettet und einen öffentlichen Freiraum geschaffen für Kunst, Kultur und Soziales. Wir haben viel Lob dafür bekommen, von vielen Bürgern und von den Behörden, mit denen wir seit einem Jahr verhandeln. Wie kann es sein, Herr Schreiber, dass nicht nur wir schockiert sind über ihre Vorgehensweise – sondern auch die Behörde für Stadtentwicklung (BSU)? Wie kann es sein, dass diese Behörde mit uns versucht, die Wogen zu glätten – und bei weitem nicht nur diese?

Wir erkennen an: Es gibt noch viel zu tun in den Häusern, gemeinsam mit der Stadt und in gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Beides zerstören Sie mutwillig. Dabei kann ein so großes Projekt wie das Gängeviertel nur gelingen, wenn sich die Verhandlungspartner aufeinander verlassen können. Sie sind nicht verlässlich, wir sind es seit vielen Monaten. Wir
haben uns früh entschlossen, diesen Weg gemeinsam mit der Stadt zu gehen, obwohl wir immer auch anders gekonnt hätten und noch anders können. Gerade stehen wir kurz vor Fertigstellung unseres Erneuerungskonzeptes in Zusammenarbeit mit der BSU – und jetzt versuchen Sie das zu sabotieren? Um zwei Tage vor dem Schanzenfest Öl ins Feuer zu gießen? Um sich auf dem Rücken des Gängeviertels politisch zu profilieren? Sie sprechen von Duisburg und der Tragödie bei der Loveparade. Das alles hat mit dem Gängeviertel nichts zu tun. Sie machen mit Angst Politik. Haben Sie ihre Chance gewittert, sich mit der Schließung der Häuser erst als Beschützer der Bürger aufzuspielen – um dann als Held gefeiert zu werden, wenn sie generös die Gebäude wieder öffnen? Was sie damit erreichen: Sie treiben uns in die Illegalität, denn wir werden die Häuser nicht aufgeben. Die „Fabrik“ und die „Druckerei“ sind das gemeinschaftliche, kulturelle und politische Herz des Gängeviertels. Ohne diese Zentren können wir das Projekt nicht weiter betreiben. Und erst recht nicht können wir weiter an der Zukunft des Gängeviertels arbeiten, wenn wir immer wieder fürchten müssen, dass Häuser geschlossen werden. Ist es das, was der Bezirk will? Wir verstehen ihre Aktion als politischen Angriff, der sich bürokratisch tarnt.

Wir sind nicht verantwortlich für den Zustand der Gebäude, das ist alleine die Stadt. Und wir verstehen den Zuspruch aus der Bevölkerung als Auftrag, in den alten Häusern weiterhin etwas Neues zu erschaffen. Doch dies muss uns auch möglich gemacht werden. Dabei erwartet niemand von uns, dass wir das Gängeviertel alleine retten können. Warum helfen Sie uns nicht, die Schäden zu beseitigen? Bereits im vergangenen Jahr wurde uns von der Stadt Unterstützung dabei versprochen, die Häuser winterfest zu machen. Wenig ist geschehen; wir haben das Viertel über den Winter gebracht. Wir sind seit Monaten dabei, Mängel zu beheben und unsere Besucher zu schützen. Sie könnten uns einfach und informell helfen, die weiteren nötigen Vorkehrungen zu treffen. Oder ist die Schließung der Häuser gar der „ordnungsgemäße Zustand“, den Sie sich wünschen?

An diesem Wochenende findet der „Tag des Offenen Denkmals“ statt – und dank uns auch in den Gebäuden, die Sie abreißen wollten. Seien Sie sich sicher: Die Denkmäler im Gängeviertel werden offen sein.

Sie wollen die Verantwortung für das Gängeviertel nicht tragen – wir jedoch sind dazu bereit. Mehr noch: Wir tragen unseren Teil von Anfang an, seit mehr als einem Jahr. Wir sind sogar bereit, die ganze Verantwortung zu übernehmen.

Herr Schreiber, Sie haben gesagt, wir seien „wahrscheinlich die einzigen Besetzer auf der Welt, die einer Verfügung eines Bauprüfamtes nachkommen. Das finde ich sehr verantwortungsvoll“. Wir sagen: „Markus Schreiber könnte der wahrscheinlich einzige Bezirksamtschef der Welt sein, der 200 Hausbesetzern ein Stück Stadt überlässt – weil er darauf vertraut, dass sie wissen, was sie tun. Und weil richtig ist, was sie tun. Das finden wir sehr verantwortungsvoll.“ Wer eine lebendige Stadt will, muss auch den Mut haben, sie auszuhalten.

Mit freundlichen Grüßen
Initiative „Komm in die Gänge“ / Gängeviertel e.V.

Und mit freundlicher Unterstützung von Mark Max Henckel Sommer in Hamburg Redaktion

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