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Buddhistischer Sommer auf St. Pauli

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Von August bis Ende des Jahres 2007 gab es einige Vorträge im Buddhistischen Zentrum in der Thadenstraße, Hamburg St. Pauli. Die Thadenstraße ist übrigens die gefährlichste Straße der Stadt. Aber das ist ein anderes Thema. Diese Vortragsreihe beleuchtet „verschiedene Aspekte des Buddhismus“. Im Jahr davor habe ich mir drei ganz ähnliche Vorträge mal zu Gemüte geführt.

Das Buddhistischen Zentrum in der Thadenstraße hängt der tibetischen Karma-Kagyü-Linie an und hat mit dem Dalai Lama deshalb wenig zu tun. Der tibetische Buddhismus der Karma-Kagyü-Linie ist wirklich sehr eigen und man versteht oftmals nur Bahnhof. So kann ich schon einmal vorwegnehmen, dass ich es nur schwer nachvollziehen kann, wie man es als gestandener Westler fertigbringt, einem Diamantweg selbstlos zu folgen.

Wenn ich jetzt etwas rauher an die Sache ranginge, würde ich sagen, dass dafür im Schädel irgendetwas aussetzen muss, ähnlich wie bei dem Glauben an die Jungfrauengeburt. Wenn ich mich mäßige, sage ich, dass diese Karma-Kagyü-Linie nicht jedermans/fraus Sache ist. Natürlich ist diese nur EINE Ausformung des Buddhismus.

Man sitzt nun im großzügigen Meditationssaal des Zentrum und lauscht dem oder der Vortragenden. Man bekommt vorgetragen, dass der Buddhismus eigentlich kein Glaube im Sinne eines Glaubesn sei. Sondern eine Erfahrungs-Religion. Nein, eine Religion sei man aber auch nicht richtig. Psychologie – doch nicht wirklich. Dass man als Buddhist der Karma-Kagyü-Linie wie selbstverständlich an Wiedergeburt, Karma, Auflösung des Ichs und Erleuchtung GLAUBT, schien für die Vortragenden natürlich kein Widerspruch.

Ja, es ist mein altes Thema: Die Illusion des Ichs! Da sitzt ein Ich, also nicht ich jetzt, und erzählt, dass es eine Illusion sei und mein ich, also ich jetzt, ebenfalls, und dass man als Buddhist unterwegs wäre, jede Grenze eines Ichs aufzulösen. Um die Wahrheit zu erkennen. Immer wenn es um Themen wie Entgrenzung und Blabla geht, wird es sehr beliebig und wenig (be)greifbar. ICH bin ein Typ, der es KONKRET braucht – oder eben gar nicht. All die vielen Worte zu denen man schön sitzen kann …

Klar wird diese Sache im Anschluß an die Einweisung. Da gibt es nämlich die täglich-wöchentliche Massenmeditation mit dem Namen: Drei-Lichter-Meditation. Am Donnerstagabend schweben locker 200 Menschen zur Meditationsstunde in die großzügigen und äußerst angenehmen Räumlichkeiten des Buddhistischen Zentrums auf St. Pauli ein. Sehr hoher Frauenanteil. Sehr knackig. Es handelt sich um eine „geführte“ Meditation. Man bekommt eine kurze Anweisung, etwa dass es optimal sei im Lotossitz mit geschlossenen Augen zu meditieren. Und so begibt man sich dann auf die neue Reise ins alte Tibet.

Man soll den Karmapa visualisieren, wie er aus den Nebeln des Geistes als durchscheinendes Wesen dem Jünger, ehm, Buddhist erscheint. Nun richten sich aus ihm drei Farbstrahlen auf den Meditierenden. Jede Farbe hat ihre Bedeutung und wird vom Sprecher erklärt. Dann ommen alle gemeinsam, danach omt fünf Minuten jeder HÖRBAR vor sich hin.

Nun wird „die Erscheinung“ wieder zurückgenommen und man erwacht erfrischt aus der eigentümlichen Versenkung. Es wird ein Blatt Papier mit dem gedruckten Text eines tibetischen Liedes („kniki pnöki knüzi nuk“ – irgendwie so etwas) gereicht, das zu meiner großen Überraschung plötzlich alle zusammen in den Saal trällern. Die Melodie erschließt sich mir ebenso wenig, wie die Bedeutung der fremden Worte. Tibetisch halt, also komplett gnfnödl.

Dabei haben wir eine so schöne Sprache, die ich verstehen und auch singen kann. Nein, es muss tibetisch sein. Der Unterschied zur scheusslichen abendländischen Kirchenmusik mit ihrem verhallten Orgelspielen ist eigentlich nur ein sprachlicher. Doch hier ist es tatsächlich noch schlimmer – man mag es schaurig-exklusiv und disharmonisch-exotisch. Also mir hat sich die Energie vom Karmapa SO nicht erschlossen. Ich mags zwar abgefahren, aber das war mir dann doch zu schräg.

Ein Wort noch zu den dortigen Buddhisten und Buddhistinen: Sie haben sich ihr wunderschönes Zentrum selber und mit eigenen Mitteln ganz im Sinne einer selbstlosen, teilenden busshitsischen Haltung aufgebaut. Sehr löblich und bewundernswert. Ja, es sind dynamische, sehr attraktive Menschen der oberen Mittelschicht. Und auch das stimmt mich befremdlich. Was aber zieht diese jungen Menschen so an? Was ist es WIRKLICH?

Die Gemeinschaft, das Dazugehören, die Exklusivität und das Besondere? War das nicht schon immer so, dass man sich Vereinen, Führeren und Meistern anschloß um sich nicht verloren zu fühlen? Man will sICH befreien und erlösen und sich in extravagentem Wohlgeruch in den Armen liegen? Die verschrobene Richtung eines kulturell befremdlichen tibetischen Buddhismus kann es doch nicht sein, oder?!

Der allenthalb zitierte Held und als Erleuchteter verehrte Däne Lama Ole, der diese Zentren als europäisches Oberhaupt leitet, wohl auch nicht. Er ist derselbe Typ Mensch, der von dieser Richtung des Buddhismus angezogen wird.

Ich kann da nicht mitmachen, weil ich mein Ich noch brauche. Damit ich nicht überschwemmt werde von Äußerlichkeiten, von fremden Gedanken (anderer ICHs), mit Haltungen, die sich in anderen Kulturkreisen unter völlig anderen Bedingungen entwickelten; und damit ich ich bleibe – eine Sünde im Buddhismus und vielleicht DESSEN große Illusion.

Übrigens: Ich mag den Buddhismus. Aber muss es denn immer dieses alte Geseier sein? Diese Ichlosigkeit und Erleuchtung, die nie eintritt? Und die rauhe Seite des Buddhismus? Die rücksichtlose, traditionelle Karmalehre, die viele einfach im Elend belässt? Vielleicht höre ich mir demnächst nochmal einen Vortrag an. Die Bilder im Beitrag sind wie immer verlinkt und verweisen damit auf Autor und Herkunft.

Anna Depenbusch
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