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Kiezpfarrer Karl Schulz bei der Lesung im Lindenberg Museum PANIK CITY

Kiezpfarrer Karl Schulz und seine Arbeit auf St. Pauli

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Ich hatte vorher vom Kiezpfarrer Karl Schulz noch nicht gehört. Habe, wie viele andere auch, wenig mit den Kirchen zu tun. Bis vor wenigen Jahren wusste ich nicht mal, dass es eine katholische Kirche in der Großen Freiheit in Hamburg gibt. Um so gespannter war ich auf die Lesung vom „guten Geist von St. Pauli“ in Lindenbergs PANIK CITY am Spielbudenplatz an der Reeperbahn.

Der richtige Mann am richtigen Platz

Womit man auf der Großen Freiheit in Hamburg wohl am wenigsten rechnet, ist eine katholische Kirche. „Dabei sind wir hier der älteste Club – seit 1658!“, sagt Pfarrer Karl Schultz. Auf St. Pauli, wo es neben viel buntem Licht auch jede Menge Schatten gibt, finden Menschen nicht unbedingt den Weg in den Gottesdienst; also sucht Pfarrer Schultz sie da auf, wo sie sind. Und weil er Pfarrer ist und kein Polizist, vertrauen sich ihm auch jene an, die nicht allzu viel mit der Kirche am Hut haben. Das war schon so, als Schultz noch evangelischer Diakon in Rostock war. Vor über 20 Jahren konvertierte er zum katholischen Glauben und ist jetzt angekommen – auf dem Kiez, bei den Menschen.

Der Kiezpfarrer las in der PANIK CITY

Karl Schultz stellte sein neues Buch, seine kleine Autobiografie in Udo Lindenbergs PANIK CITY am Spielbudenplatz vor. Zugegen waren Freunde des Priesters, die Combo CLERICAL BEAUTIES, zwei musikalische Pfarrer aus Hamburg:

Das Herz von St. Pauli mit den CLERICAL BEAUTIES und dem Kiezpfarrer Karl Schultz

Und dann erzählte Karl aus seinem Leben. Ich fand es wunderschön, dass er das meiste FREI erzählte und eben nicht ablas. Aber natürlich las er auch Strecken aus seinem Buch. Einem Taschenbuch, das nicht zu dick und nicht zu viel ist. Sein Leben aber hat es in sich. Allein sein Werdegang in der ehemaligen DDR von der ungeliebten Handwerkslehre zur evangelischen Kirche. Wie er die Schulabschlüsse an der Abendschule nachholt, dann Kranken- und Heilerziehungspfleger lernt und sich später zum Diakon ausbilden lässt. Am Ende studiert er Relgionspädagogik und finden in gewunden Wegen zur katholischen Kirche. Gottes Wege sind unergründlich, so heißt es doch.

Auch zu seiner Stelle als Kiezpfarrer seit 2010 kam er wie die Jungfrau zum Kinde. Der gesamte Abend, die ganze Lesung, seine Erzählung war sehr kurzweilig und spannend. Und genau so ist es auch in seinem Buch erzählt.

Beeindruckt hat mich, wie sich seine Arbeit auf der sündigen Meile Schritt für Schritt entwickelt. Wie er Vertrauensperson und Ansprechpartner für Prostituierte und Berufstrinker in den dunklen Kaschemmen im Viertel rund um die Reeperbahn wird, ist wundervoll. Warum und menschlich. Kiezpfarrer Karl betont immer wieder, dass die eigentlich Kunst darin besteht, den Menschen zu zuhören – und sie eben nicht von der katholischen Lehre zu überzeugen. Gelebte Nächstenliebe, würde ich sagen. Ob es dabei immer Rotwein eine Rollen spielen soll – bei der Lesung, wie auch auf dem Cover seines Buchs, steht auf einem anderen Blatt.

Natürlich kommt Karl während seiner Arbeit auf St. Pauli auch mit der Kiezprominenz in Kontakt. Mit Udo Lindenberg, der das Vorwort zum Buch schrieb und in dessen „Museum“ die Lesung stattfand, mit Olivia Jones und Corny Littmann natürlich oder wer sich sonst noch in der Gegend rumtreibt.

Seine Arbeit ist das Zuhören, die offenen Türen seiner katholischen Kirche mitten in der sündigen Samstagnacht und ein Ohr zu haben für all die Menschen, die es brauchen.

Sein Buch und auch der ganzen Mann ist von einer ruhigen und herzlichen Bodenständigkeit, die heutzutage aus einer anderen Zeit zu stammen scheint. Obwohl gerade diese Verbundenheit mit dem was ist, egal, was es ist, zeichnet das Leben der Menschen in St. Pauli ja aus. So schlimm es manchmal ist, man hält zusammen und lebt dieses eigenartige, seltsam schimmernde, spannende und auch verkommene Leben auf dem Hamburger Kiez. Hier Pfarrer zu sein, Kiezpfarrer – ist etwas Besonders. Das Buch ist es auch. Lest und lernt, lasst euch gut unterhalten und wertschätzt diesen ungewöhnlichen Einblick in das Leben rund um die sündigste Meile der Republik.

Zwischen Kirche und Kiez: Ansichten eines Pfarrers

von Karl Schultz
Buch hier kaufen
167 Seiten, Rowohlt Taschenbuch (25. Januar 2022)
ISBN 3499007851
Taschenbuch 12,- Euro

Leseprobe Zwischen Kirche und Kiez

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