Kein zurück: Mord, Schuld und kein Entkommen – Stephen Kings neuer Thriller

Buchcover "Kein zurück"
"Kein zurück" von Stephen King

Stephen King ist längst nicht mehr nur der „Meister des Horrors“. Wer ihn heute liest, erlebt einen Autor, der Krimi, Psychothriller und Gesellschaftsroman kunstvoll miteinander verwebt. Sein neues Buch Kein Zurück (Originaltitel: Never Flinch) zeigt das einmal mehr. Und es bringt eine alte Bekannte zurück: Holly Gibney, die wohl menschlichste Ermittlerin, die King je erschaffen hat.

Viele kennen sie aus der Bill-Hodges-Trilogie (Mr. Mercedes, Finderlohn, Mind Control) oder aus Der Outsider und Holly. Mit ihr hat King eine Figur geschaffen, die kein Supercop ist, keine Actionheldin, sondern eine eigenwillige, verletzliche und hochsensible Frau. Genau darin liegt ihre Stärke: Sie denkt, wo andere übersehen, sie zweifelt, wo andere vorschnell handeln – und sie kämpft mit einer Mischung aus Verstand, Sturheit und Menschlichkeit.

Worum geht es?

Die Polizei von Buckeye City erhält ein anonymes Schreiben. Der Absender, der sich „Bill Wilson“ nennt, kündigt eine Serie von Morden an. Seine Begründung ist ebenso bizarr wie beängstigend: Unschuldige sollen für den Tod eines Unschuldigen büßen.

Schon bald gibt es ein erstes Opfer – eine scheinbar völlig unbescholtene Frau, die einen Zettel mit einem Namen in der Hand hält. Dieser Name führt zu einer Geschworenen, die an der Verurteilung eines Mannes beteiligt war, der im Gefängnis erstochen wurde.

Der Täter stilisiert seine Taten als „Sühneakte“. Für ihn geht es nicht um Rache im klassischen Sinn, sondern um ein verdrehtes Verständnis von Gerechtigkeit. Und er hat einen Plan: 13 Unschuldige und 1 Schuldiger sollen sterben.

Während die Polizei im Dunkeln tappt, wird Privatermittlerin Holly Gibney eingeschaltet. Parallel zu den Ermittlungen muss sie den Schutz einer Feministin übernehmen, die Zielscheibe von Hetze und Anschlägen ist. Zwei Stränge, die gefährlich miteinander verwoben sind – und die auf eine Katastrophe zulaufen.

Holly Gibney – eine Heldin wider Willen

Dass King die Geschichte ausgerechnet Holly anvertraut, ist ein Glücksfall. Sie ist keine strahlende Romanheldin, sondern eine Frau mit Neurosen, Macken und Ängsten. Sie trägt Schutzmasken, ist übervorsichtig, kann Alltägliches kaum ertragen – und ist trotzdem furchtlos, wenn es darauf ankommt.

Gerade diese Mischung macht sie so glaubwürdig. Holly ist jemand, der lieber Versicherungsformulare ausfüllt und Tacos isst, als sich mit einem Serienmörder anzulegen. Aber wenn sie den Ernst der Lage spürt, kann sie nicht anders: Sie muss dem Rätsel nachgehen.

King zeichnet sie hier noch tiefer als in früheren Romanen. Ihr feiner Humor, ihre Empathie, ihre innere Zerrissenheit – all das lässt sie lebendiger wirken als viele Krimihelden, die glatt und überinszeniert daherkommen.

Stephen King in Bestform

Kein Zurück zeigt den alten, erfahrenen King, der souverän Tempo und Atmosphäre mischt. Der Einstieg: ein Treffen der Anonymen Alkoholiker, scheinbar harmlos. Wenige Seiten später kippt die Stimmung ins Bedrohliche. So wie King aus einer Alltäglichkeit eine Drohkulisse baut, beherrscht er kaum ein Zweiter.

  • Der Plot: packend, wendungsreich, mit einem Täter, dessen Motiv ebenso abwegig wie furchteinflößend ist.
  • Die Sprache: klar, direkt, manchmal lakonisch, dann wieder poetisch. Selbst Nebenfiguren bekommen Tiefe.
  • Das Setting: Buckeye City wirkt so real, dass man meint, die Straßen und Cafés selbst zu kennen.

Natürlich bedient King auch die Thriller-Mechanik: Cliffhanger, falsche Fährten, die berühmte Gänsehaut. Aber immer wieder geht es um mehr – um Fragen von Schuld und Verantwortung, um die Macht der Justiz und um die Verletzlichkeit des Menschen.

Gesellschaftskritik zwischen den Zeilen

Wie oft bei King ist der Roman nicht nur spannend, sondern auch ein Kommentar zur Gesellschaft. Er zeigt:

  • Wie leicht Justizirrtümer Menschenleben zerstören.
  • Wie gefährlich Ideologen werden können, die sich im Namen von Moral oder Religion legitimieren.
  • Wie Frauenfeindlichkeit und Gewalt in unserer Gegenwart verankert sind.

Damit ist Kein Zurück kein leichter „Whodunit“-Krimi, sondern ein Roman, der nachhallt.

Für wen lohnt sich das Buch?

  • King-Fans: Natürlich, denn hier begegnet man alten Bekannten – nicht nur Holly, auch Figuren aus Finderlohn und Holly tauchen auf.
  • Krimileser:innen: Wer Spannung liebt, wird hier bestens bedient.
  • Menschen, die Figuren statt nur Plot suchen: Holly Gibney trägt die Geschichte, und man möchte sie nicht mehr loslassen.

Fazit – oder besser: Überschrift für den letzten Akt

Stephen King zeigt, dass Spannung nicht laut sein muss.
Kein Zurück ist kein Splatter-Horror, sondern ein intelligenter, intensiver Thriller, der die dunklen Seiten von Schuld, Justiz und Sühne auslotet. Ein Buch, das nicht nur die Nerven kitzelt, sondern auch Fragen stellt, die man so schnell nicht loswird.

Kein zurück Leseprobe

Kein zurück Hörbuch-Ausschnitt als Video

Visited 100 times, 1 visit(s) today

Schreibe einen Kommentar