Sylt – Hamburger Strand
Sylt. Das Spa Hamburgs. Der verlängerte Strand von Blankenese. Der Vorgarten Othmarschens. Die einzigen Dünen des Wellingsbüttler Alterstals. Harvestehude in Sand. Sylt gehört zum Daimler-Konzern – könnte man meinen. Mit dem Schleswig-Holstein-Ticket fährt der windsüchtige Hamburger für € 30,- auf die berühmteste Insel Deutschlands.
Viele kluge Hamburger gönnen sich den Tag am Meer in Westerland. Kostet ja nichts außer Zeit, wenn man sich einen geschickt bestückten, leckeren Picknickkorb unter den Arm klemmt und sich einfach in den Zug setzt. Am Bahnhof Altona finden sich leicht die nötigen Mitreisenden, mit denen man sich die Kosten für das Schleswig-Holstein-Ticket teilt. Ich finds prima. Man lernt vielleicht ganz spannende Leute kennen, muss es aber nicht. Man kann auch in verschiedenen Abteilen auf einem Ticket auf die Insel rattern. Jedenfalls muss man das mal gemacht haben.
Sylt ist schön. Allein die Dünen und die endlosen Strände, das wild anrauschende Meer und auf der anderen Seite das kühle, matschige Watt. Wie es riecht in den Dünen – einmalig. Nur Charme, Charme hat Sylt kaum. Vielleicht liegt das am Klientel, das die Insel in der Regel bereist. Jedenfalls ist Westerland eine Stadt ohne wirklichen Charme. Es ist völlig verbaut und es finden sich Ferienwohnung an Ferienwohnung.
Natürlich – jeder war schon einmal auf Sylt. Aber Stammgast? Stammgast ist man, wenn man zur „besseren Gesellschaft“ gehört, gehören will oder so tut, als würde man dazu gehören wollen. Stammgast ist man, wenn man Pensionär ist, hoch dotierter Pensionär. Stammgast ist man, wenn man sich das leisten … will.
Wir sind mit dem Auto gekommen. Sind ab Husum über die gut ausgebaute Landstraße gezimmert und überholten einen trantütigen Rentnertransport nach dem anderen. Alle Richtung Sylt. Genervt hat der Preis für den Autozug ab Niebüll. Satte € 83,- für die Hin- und Rückfahrt verlangt die Bahn für die Überführung auf dem Hindenburgdamm. Wucher. Als Familie ist man manchmal in der Verlegenheit mit dem Auto anreisen zu müssen. Nicht gern, aber diesmal gings nicht anders. Will man mit diesem Preis eine Autohürde aufbauen, mittels Wucher versuchen, die Blechlawine von Sylt weitestgehend fernzuhalten? Sind deshalb so viele Co2-Schleudern auf der Insel, so viel Spinnerblech, so viele arrogante Klimakiller?
Die Rentnerdichte auf Sylt ist überdurchschnittlich hoch. Rentnern haben eben das meiste Geld. Auch die Spinnerdichte ist sehr hoch. Sauf- und Pappnasen mischen sich drunter, so dass der Normalo schnell in der Unterzahl scheint.
Sehr viele Möchtegerns. Möchten gern auf einem anderen Planten leben und tun es in gewisser Weise auch.
Ein Haus auf Sylt kostet mehr als ein Vermögen. Millionen, Millionen, die man übrig haben muss. Mal eben so. Das ist Sylt. Ich möchte bezweifeln, dass es noch nennenswerte Populationen von einheimischen Nordfriesen auf der Insel gibt. Aber das ist nicht so wichtig. Die Insel brummt.
Der Strand ist kostenpflichtig. Jedenfalls in Westerland. Niemand kommt an den Strand, der nicht gezahlt hat. Dass so etwas überhaupt möglich ist, scheint typisch Deutsch zu sein. Deutsche lieben Steuern. Die meisten Deutschen sind denn auch gerade gegen eine Steuersenkung. Aber diese Abgabe heißt ja nicht Steuer, sondern Kurtaxe. Kurtaxe klingt nach Kaffeefahrt mit nett duftenden, harmlosen Damen und nicht nach hart kalkuliertem Strukturkapitalismus.
Aber es ist schön am Strand. Und das Meer ist toll und die Möwen und der viele Wind. Es herrscht Reizklima. Aber nicht wie in Hamburg, indem aufrechte Bürger um ihre Stadt, bezahlbare Mieten und Kitaplätze kämpfen. Hier macht das Reizklima müde und man wird ganz erholt.
Sylt ist toll. Demnächst an dieser Stelle mehr.