Die stumme Tänzerin – Kriminalroman über die ersten Hamburger Kommissarinnen und einen Serienkiller auf St. Pauli
Tolle Idee mit dem Thema der ersten Kriminalkommissarin in der Stadt. Es war ja nicht immer so, dass Frauen zur Polizei und dort Karriere machen konnten. Das ist eine relativ neue Erfindung. Und ein spannender Blick, wie es wohl der ersten Kommissarin ergangen sein muss beim Lösen des Falls der stummen Tänzerin.
Hamburgs erste Kommissarinnen
Hamburg, 1928: Seit einem Jahr gibt es im Hamburger Stadthaus eine weibliche Kriminalpolizei unter Leitung der resoluten Josefine Erkens (historisch belegte Person). Auch die freiheitsliebende Paula heuert dort an. Als eine Tänzerin ermordet und obszön entstellt wird, gelingt es Erkens, Paula und eine weitere Kommissarin in der bisher rein männlich besetzen Mordkommission unterzubringen. Angeführt wird diese Ermittlungsgruppe von Martin Broder, der der Hölle von Flandern entkam.
Zu Beginn tut er sich schwer mit den «unfähigen Weibern», doch die Frauen arbeiten mit präziser Logik und kühlem Witz. Zunächst führen ihre Ermittlungen ins Rotlichtmilieu, als aber ein weiteres Opfer aufgefunden wird, keimt in Paula ein ungeheuerlicher Verdacht auf …
Übrigens: Mehr über die Anfänge der weiblichen Polizeiarbeit findet sich im Netz.
Die Autorin Helga Glaesener wurde in Niedersachsen geboren und studierte in Hannover Mathematik. 1990 begann die Mutter von fünf Kindern mit dem Schreiben historischer Romane, von denen gleich das Debüt, «Die Safranhändlerin», zum Bestseller avancierte. Seitdem hat sie zahlreiche weitere erfolgreiche Romane geschrieben, darunter auch diverse Krimis sowie zuletzt «Das Erbe der Päpstin». Heute lebt Helga Glaesener in Oldenburg.
Die Geschichte ist mit 364 Seiten in einem Taschenbuch doch recht breit angelegt. Warum auch nicht. Die 20er-Jahre waren einen unglaublich spannende Zeit, auch wenn an deren Ende die furchtbare Rezession, Not und Arbeitslosigkeit herrschte, die den Nazis in den Sattel geholfen hatte. Uns ist diese Zeit gar nicht mehr bewusst. Klar haben wir schon von den wilden 20er gehört und diese Zeit beinahe verklärt.
Aber was gab es damals noch? Was waren das für Menschen in jener Zeit zwischen den beiden großen Weltkriegen. Wir waren die Verbrechen damals und wie klärte man sie auf. Die heutige Kriminaltechnik stand damals ja noch nicht zur Verfügung.
Fazit
Die Autorin Helfa Gleasener versteht ihr Metier, was heutzutage beinahe die Ausnahme zu sein scheint. Sie ganz erzählen, schriftstellern und schreibt gut. Allein die Eröffnung ist mit Abstand die beste, der bisher an dieser Stelle besprochenen Romane. Und daher ist dieser feine, geschichtsträchtige Krimi, der eine grandiose Grundidee konsequent und kenntnisreich zu Ende bringt, ein absoluter Lesetipp – nicht nur für Krimi- sondern auch und vor allem für Hamburgfans und neugiere HistorikerInnen:
So sah sie also aus: die Befreiung vom Mief der Kaiser-jahre, der Mut, der mit der Faust die altbackene Prüderie zerschlägt, das ehrliche Lachen, das keine Kompromisse eingeht … Varieté ! Der sensationelle Abend, an dem sie sich Zutritt zu der Welt der Unerschrockenen und Tabulosen ver-schaffen wollte, war gekommen, sie saß im Fiasko und …
Ja, was?
Paula lehnte sich in dem rot gepolsterten Sessel zurück und starrte in den halbdunklen Saal mit der Bühne, dem Klavier und den dicht besetzten Tischen. Die Luft war erfüllt von Zigarettenqualm, Weindunst, Schweiß und Parfüm, was das Atmen zur Schwerstarbeit machte. Es wurde gejohlt, gelacht, geklatscht und gerufen. Genau so, wie es in den Gazetten geheißen hatte, in denen diese halbseidenen Sehnsuchtsorte bejubelt wurden. Auch Paulas Kolleginnen schwärmten da-von, wenn sie morgens völlig übermüdet zur Arbeit in die Bootsmanufaktur Borgmeister trotteten. Warum also kam bei ihr keine Begeisterung auf?
Bedrückt beobachtete Paula die halbnackten Frauen, die den Treibstoff für die Stimmung in dem spiegelverkleideten Raum bildeten. Obenherum waren sie mit Ketten aus aufgefädelten Kupferringen bekleidet, untenherum mit nur …
Die stumme Tänzerin (Hamburgs erste Kommissarinnen, Band 1)
von Helga Glaesener
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368 Seiten, Rowohlt Taschenbuch (17. August 2021)
ISBN 3499004887
Taschenbuch 10,- Euro