Wildtiere im Zirkus Tierquälerei?
Kaum ist der Circus Krone mit seinen Elefanten, weißen Löwen, den Zebras, Ziegen, Pferden, Seelöwen und Lamas in der Stadt, fegt ein harsches Urteil durch die Köpfe der Menschen: Wildtierehaltung im Zirkus sei Tierquälerei. Hamburgs Senat will hier ein bundesweites Wildtierverbot durchsetzen, der Blätterwald rauscht, das Thema ist emotional und wird heftig diskutiert. Am Dienstag auch mit Experten bei Hamburg1.
Heute, am Dienstag, den 20. September 2011, diskutiert im TV auf Hamburg1 eine kompetente Runde bei Schalthoff Live um 20.15 Uhr das Thema „Soll man Tierauftritte gesetztlich verbieten?“ Mit Claus Kröplin (Berufsverband Tierlehrer), Martin Schäfer (SPD),Thomas Pietsch (Wildtierexperte), Frank J. Keller (Circus Krone). Wir dürfen sehr gespannt sein auf diese sicher erhellende Diskussion, die im Laufe des Abends, etwa um 22.15 Uhr auf Hamburg1 wiederholt wird.
Bei einem solchen emotionalen, ja, man darf zynisch anmerken, menschelnden Thema, krakelen sich die üblichen verdächtigen in die erste Reihe. Dieses allerdings angeführt vom sozialdemokratischen Senat, springt DIE LINKE, die GAL, neben sämtlichen Tierschutzorganisationen auf den Zug. Nur die CDU, die ist dagegen. Gegen ein Wildtierverbot. Im Zirkus.
Wildtiere sind natürlich ein wichtiges Thema, für die Germanen, die in sackleinen gehüllt in finsteren Wäldern von Obst und Gemüse leben. In Deutschland gibt es nur wenig, und wenn, dann relativ kleine Wildtiere, die man als solche bezeichnen kann. Denn das Land wird seit Jahrtausenden kultiviert, dass selbst im hintersten Winkel kein Platz für einen zottiger Problembär ist. Der Rest der Wildtiere wird vom Kraftverkehr niedergewalzt oder endet als Sushi beim echt coolen Asiaten mit seinem leckeren Mittagstisch. Vielleicht sind das die Gründe, warum gerade hier, gerade in Hamburg die meisten Bürger glauben, Wildtiere aus dem Zirkus retten zu müssen.
Großes Plakat gesehen heute in Hamburg-Ottensen
Wer ein solches Plakat des Circus Krone auf dem Heiligengeistfeld mit gängigen Schlagworten emotional besudelt, hat meistens noch nie ein Wildtier in seiner natürlichen Umgebung erlebt oder gesehen und schon gar nicht mit den Betroffenen – in diesem Fall mit den Tierpflegern und den Verantwortlichen des Circus Krone – geredet. Das ist aus seiner Sicht gar nicht nötig, da er ja schon Bescheid weiß und bei den Guten ist. Man war weder im Circus Krone, noch hat man die Tier dort gesehen oder begutachtet, noch mit den Leuten dort und schon gar nicht mit dem Publikum gesprochen. Sehr gut. Feindbild aber klar.
Das die angeblichen „Wildtiere“ im Zirkus in der Regel seit mehreren Generationen in der Showbranche tätig sind und die Wildnis würden gar nicht überleben können, spielt bei den sogenannten „Tierschützern“ gar keine Rolle. Auch, dass die Tier im Zirkus, in der Gefangenschaft, meist viel älter werden, gesünder sind und von niemanden, ja nicht einmal von ihren natürlichen Fressfeinden – meistens der Mensch – verspeist werden, stet ebenfalls gar nicht zur Debatte.
Stattdessen werden zunächst wüste Behauptungen, wer denn nun Wildtier sei, aufgestellt, nebst ein Youtube-Video präsentiert, in dem ein schwarzes Schaf einen schwarzen Tag hatte. Es sei nur nebenbei angemerkt: Es geht nicht darum, den Zirkussen und Zoos NICHT auf die Finger zu schauen und auf die Einhaltung der Tierschutz-Gesetze zu pochen und vergehen zu ahnden. Immer aber mit ihnen zusammen und nicht gegen sie, wenn man sie erstmal an den Pranger stellt. „Einbußen haben wir bei unserem Aufenthalt in Hamburg nicht zu erwarten. Wir können uns im Grunde beim Hamburger Senat nur für die tolle Werbung bedanken.“ meint die Zirkusdirektorin Christel Sembach-Krone (74) in der BILD.
Den Begriff Wildtiere finde ich recht untauglich. Er soll offenbar Haustiere von ihren Artgenossen in angeblich freier Wildbahn unterscheiden. Ich meine, dass uns das in eine falsche Richtung lenkt. Den ein mittelgroßer Hund hier in der Stadt halten, mitten in Ottensen, wo gar keine Natur seit sehr langer Zeit mehr existiert, kann das gut sein? Ein Pferd, dass so gezüchtet seit unzähligen Generationen sehr viel Zeit in einem engen Stall verbringt, ist ein ebenso trauriger Anblick. Das akzeptieren wir aber, daran haben wir uns gewöhnt. An die Piepmätze im Käfig, die dressierten Falken, die neurotische Katze, die lieber Wihskas kauft, als eine Taube zu zerfetzen. Nein, irgendwie verläuft hier eine sehr seltsame Grenze.
Aus meiner Sicht, geht es weniger um den Umgang mit Zirkustieren, als vielmehr grundsätzlich um unsere Art zu leben. Es gibt kaum noch Wildnis. Vor allem in Europa nicht. Aber hier regen sich die am Meisten auf, die von Wildnis, Wildtieren und Natur gar keine Ahnung haben. Vom Zirkus ganz zu schweigen. Den Zirkus in den Medien, ja den kennen sie, den Zirkus mit dem revolutionären Aktionen, den haben sie zwar nicht erfunden, aber sie beherrschen diese Vorstellung.
„Der Zirkus ist ein Kulturgut, das die Liebe von Menschen zum Tier fördert und insbesondere bei Kindern Interesse für Tiere weckt.“, meint Dennis Thering, für die CDU in der Bürgerschaft laut Hamburger Morgenpost. Und genau so ist es.
Ich kann keinen großen Unterschied zwischen Zoo- und Zirkushaltung erkennen. Auch wenn das regelmäßig umherreisen für die Tiere sicher eine Belastung darstellt. Aber in einem Zirkus kommt man den Tieren auf eine ganz bestimmte Art und Weise nahe. Für Kinder ist das toll. Sie sind ganz nah dran, die Tiere und ihre Kunststücke sind zum Anfassen nah, sie bekommen einen großen Respekt vor diesen … Wildtieren. Und sie lieben diese Tiere im Zirkus.
Meine Oma war mit mir in jedem Zirkus, der nach Hamburg kam. Auch nach Hagenbeck ging sie mit mir regelmäßig. Ich möchte das alles nicht missen, es war großartig für mich. Und ich liebe Tiere, habe mit Tierquälerei, wie die meisten Menschen, nichts am Hut. Und ich möchte dies auch meiner Tochter zeigen. Wir waren am Sonntag zum Zirkustag auf dem Heiligengeistfeld in der Manege. Und meine kleine 2-jährige Tochter war fasziniert von dem Ganzen, den Tieren und diesem … Zirkus.
Zirkus ist Kulturgut und ist, so, wie er ist, erhaltenswert. Wo sind erleben wir und unsere Kinder auch angebliche Wildtiere derart nah in faszinierenden Aktionen? Nirgends. Man tut den Tierpflegern, Artisten, Domteuren und Zirkus-Direktoren und -Mitarbeiter großes Unrecht, wenn man hier von Tierquälerei spricht, die verboten gehöre. Doch man beleidigt nicht nur sie und ihre Liebe und Engagement – von denen die angeblichen „Tierschützer“ ja gar nichts wissen – sondern man beschämt auch unsere Kinder. Zum Kindsein gehört Zirkus. Zirkus mit Wildtieren. Zirkus, den es vermutlich schon so lange gibt, wie der Mensch Nutztiere hält, so lange, wie sich der Mensch als Gefährt dieser wunderbaren Geschöpfe sieht!