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Vancouver FAQ – Kinderkriegen in Kanada

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Alle Welt schaut auf Vancouver. Die kanadische „Perle der Nachhaltigkeit“ in British Columbia ist Schauplatz der 21. Olympischen Winderspiele 2010. Abseits der Festivitäten – wie lebt es sich eigentlich in Vancouver? Wie lebt es sich beispielsweise für eine junge deutsche Mutter in Vancouver 2010? Der Exklusiv-Bericht ist hier zu lesen.

Lieben Dank für den Text an: Christine Spreter von Kreudenstein, ausgebildete Gymnasiallehrerin für Deutsch/Englisch und guter Hoffnung, verheiratet, 1 Kind (1,5), seit 2006 in Vancouver, dort als Lektorin an der UBC (University of British Columbia), Lehrerin am GZ (Goethe-Zentrum) und an der VWGS (Vancouver Westside German School) tätig

Kinderbetreuung und Lebenshaltungskosten
Aufgrund der föderalistischen Struktur muss man erst einmal wissen, wie die Kinderbetreuung und Früherziehung hier in British Columbia, Kanada, organisiert ist: 0-3 daycare (= Krippe) ganztägig (8-17 Uhr) oder halbtags (seltener im Angebot);3-5 pre-school: i.d.R. 1,5-max. 3 Std. täglich oder nur vereinzelt, etwa 2x oder 3x/Woche, Ganztagsbetreuung nur vereinzelt im Angebot; 5-6 kindergarten (= Vorschule), teilweise integriert in Grundschulen und Garantie der staatlichen Versorgung ab 2011 angestrebt (laut Beschluss von 2009) – im Vergleich dazu: In Deutschland wird die staatliche Betreuung ab 3 Jahren garantiert.

Hinweis: 1 Kanadischer Dollar (C$) entspricht aktuell 0,69 €. Habe keine Luste alle Geldangaben umzurechnen. MMH

Remember the sunSmile! The Sun is out!

Letztere Information weist schon auf das Hauptproblem hin: Unterversorgung. Sobald man seinen Geburtstermin weiß, ist man bestens beraten das Ungeborene gleich auf mehrere Wartelisten setzen zu lassen, denn 1-2 Jahre Wartezeit auf einen Krippenplatz sind die Regel. Zur Überbrückung gibt es ein großes Angebot an Tagesmütter (auf Wunsch lizensiert). Vergessen darf man nicht, dass die Betreuung gleich welcher Art ihren Preis hat: Ein Ganztagesplatz in der Krippe kostet zwischen $900 – $1,200 im Monat je nachdem ob er minimal staatlich subventioniert ist oder man staatliche Unterstützung beantragen kann aufgrund geringen Einkommens. Einzelbetreuung durch Tagesmütter ist teurer, weil pro Stunde abgerechnet wird, die Bezahlung einer Tagesmutter mit mehreren Kindern dagegen ist vergleichbar.

Zu den monatlichen Fixkosten zählt ferner die Miete, die im Großraum Vancouver variiert aufgrund der Attraktivität des Wohnorts. Im Innenstadtbereich kann man mit mind. $1,300 warm für ein 1-Zimmer-Apartment (= 1 Schlafzimmer, Bad, Küche, kleiner Wohnraum) rechnen, in den angrenzenden – auch attraktiven – Vierteln ist die Miete etwas geringer. Beliebt, weil im Vergleich billiger, sind hier die ebenerdigen Kellerwohnungen. Dafür gibt es im Gegenzug die medizinische Grundversorgung für einen geringen Preis ($114/Monat/3-und mehrköpfige Familie. Zur Einkommensgrenze und Durchschnittseinkommen verweise ich auf http://www.bcstats.gov.bc.ca/.

Welcome to VancouverWelcome to Vancouver!

Tom und ich sind bei einem der größten Arbeitgeber vor Ort angestellt (UBC – University of British Columbia), Tom als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit einem netto-Jahresgehalt von $40,000. Als Deutschlektorin bin ich dagegen nur „saisonal“ einstellbar, d.h. während des Semesters von Sept.-Mai und kann aufgrund geringen Kursangebots nur insgesamt 2-3 Kurse pro Semester unterrichten (jeder Kurs $5,000) und mich im Sommer arbeitslos melden.

Aufgrund dieser Situation habe ich mir zusätzliche andere Arbeitgeber gesucht, sodass ich auf ein Jahreseinkommen von $20,000 Netto komme, wir insgesamt also $60,000 netto zur Verfügung haben, mit monatlichen Fixkosten (Miete, Krippe, Krankenversicherung, kein Auto, keine weiteren Versicherungen/Rücklagen) von $2,600. (= 50%/Jahr der Einnahmen für Lebensunterhalt). Lebensmittel sind hier im Durchschnitt auch teurer wg. fehlender Subventionen, insbesondere in der Landwirtschaft (Milchprodukte, z.B. $1,50/1Liter Milch, Bio-Milch $2/Liter), was sich vor allem bemerkbar macht, wenn man Kinder hat und der Bedarf an Milchprodukten steigt.

Der Berufseinstieg hat sich für mich im ersten Jahr nach Finns Geburt nur durch das Unterrichten von Abendkursen gelohnt, als Tom am Abend die Finn-Betreuung übernehmen konnte. Kurse am Tag habe ich mit Babysitter überbrückt, den ich mir mit einer Nachbarin geteilt habe ($9/Std. anstatt $13). Mittlerweile arbeite ich auch wieder tagsüber (seit Finn 2 Jahre alt ist) und nehme in Kauf, dass 50% meines Gehalts für die Kinderbetreuung wegfallen, wobei man auch bemerken muss, dass eine ausgebildete und erfahrene Kindergärtnerin nicht mehr als $16/Std. verdient.

The World needs more KanadaThe World needs more Canada

Interessant im Kulturenvergleich finde ich die Umgangsweise mit Kindern im öffentlichen Leben. In Vancouver (und ich schließe auf ganz Kanada und sogar Nordamerika, weil ich während meiner Auslandsaufenthalte in USA ähnliche Beobachtungen machte) regiert man ausschließlich freundlich auf Kinder und ist hilfsbereit den Eltern gegenüber. Man bekommt sehr viel Verständnis entgegengebracht, wenn man sich mit Kinderwagen durch die Menge oder in den Bus schiebt, kann seine Kinder an fast alle Orte mitnehmen und an der Lebenswelt der Kinder wird rege Anteil genommen, d.h. man reagiert positiv auf deren Mitteilungsbedürfnis oder Tobsuchtsanfall.

Das ist meines Erachtens auf die positiven Verhaltensweisen der Kanadier im Generellen zurückzuführen (höflich und freundlich), deren Negativseite (angepasst, zurückhaltend) sich darin bemerkbar macht, dass sich keiner über die Unterversorgung in der Kinderbetreuung laut beklagt. Meiner Meinung nach erzieht eine Gesellschaft Kinder mit (nicht nur deren Institutionen und Familien) und aufgrund dessen fühle ich mich in West-Kanada auch so wohl mit meiner Familie und mir bangt es eher vor der Rückkehr ins schnoddrige Deutschland diesbezüglich – nach meinen Urlaubserfahrungen in der Heimat in den letzten 2 Jahren zu schließen.

Schwangerschaft und Geburt
Meine Schwangerschaft verlief problemlos und die Grundversorgung hat daher alles Notwendige abgedeckt. Aber auch von Freundinnen, die Komplikationen in der Schwangerschaft erlebten, habe ich nur positive Reaktionen bekommen was die medizinische Versorgung anging. Allerdings muss man hier die Untersuchung auf Trisomy 13, Trisomy 18 [Edward’s Syndrome] and Trisomy 21 [Down Syndrome] (= „first trimester screening“) privat finanzieren muss bis einschließlich 40 (im Vergleich dazu: Frauen über 35 in Deutschland).

Vancouver BabyMan muss sich als Deutscher vielleicht auch erst einmal daran gewöhnen, dass man unterschiedliche Wege gehen muss, z.B. werden Ultraschall und Blutabnahme an zentralisierter Stelle vorgenommen, nicht beim Arzt. Es fiel mir ferner auf, dass hier – wahrscheinlich ähnlich wie in Deutschland – gerade der Trend zum Stillen besteht und Kanadier aufgrund ihrer Autoritätsgläubigkeit bedingungslos annehmen, was ihnen von der nationalen Organisation „Health Canada“ vorgeschrieben wird, z.B. kürzlich die Impfung gegen den H1V1 Virus.

Man hat hier ähnlich wie in Deutschland die Wahl zwischen Betreuung durch Gynäkologe und Geburt im Krankenhaus, Hausgeburt mit einer Hebamme (Geburtshäuser gibt es nicht) oder Geburt in einer Klinik mit Beleghebamme. In der Klinik wird man wie in Deutschland als öffentlicher Kassenpatient behandelt, d.h. eine Nacht bei regulärer Entbindung und max. 3 Nächte bei Kaiserschnitt (im Unterschied zur Privatpatientin in Deutschland).

Peeing on The Vancouver BeachPeeing on The Vancouver Beach

Erst einmal zu Hause kommt eine Hebamme in der ersten Woche nach der Geburt um nach dem Rechten zu schauen, danach nur auf persönliche Anfrage oder bei offenkundigen familiären Problemen. Die Betreuung des Neugeborenen und der Mutter durch eine Hebamme findet flächendeckend in sogenannten „community centres“ statt, die es in jedem Stadtviertel gibt. Dort werden die Neugeborenen gewogen und gemessen, Informationsveranstaltungen zu jedem Thema im ersten Babyjahr angeboten und diese Kurse über das erste Jahr hinaus (z.B. Spielgruppen u. ä.) werden rege angenommen, weil sie kostenlos sind und die Möglichkeit zum networking mit anderen Eltern bieten.

Man darf 18 Wochen (bezahlten) Mutterschutz beantragen, davon max. 11 Wochen vor Geburtstermin einlösen, gefolgt von (bezahlter) Elternzeit bis zu 35 Wochen, die von beiden Eltern gleichermaßen beantragt werden kann. Bis zu 93% des Einkommens können mit staatlicher Hilfe und der Hilfe des Arbeitgebers gedeckt werden, allerdings unter Voraussetzung, nach Ablauf der Elternzeit zum alten Arbeitsplatz für einen festgelegten Zeitrahmen zurückzukehren, ansonsten muss man den Anteil zurückzahlen, der vom Arbeitgeber übernommen wurde. Das Einkommen während des Mutterschutz und der Elternzeit ist zu versteuern, allerdings zu günstigeren Konditionen.

Nach den vielen, spannenden und sehr aufschlußreichen Fakten über das Leben in der Fremde, im Kanadischen Vancouver, hier noch noch etwas fürs Auge und fürs Ohr: Vancouver City Music by InnerLife Project feat. Linda Ganzini

Fotos: C. Spreter v. Kreudenstein, skedonk, Kenny Louie, Duncan Rawlinson

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