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Eine tschillernde Figur: Til Schweiger im Hamburg Tatort

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„Sie kommen nach Hamburg und glauben, Sie können hier alles machen. Diese Gewalt und dieses ganze Geblute“, schallt ihn sein Chef. Das sollte lustig sein, weil zweideutig. Oder eindeutig? Til Schweiger tschillerte am Sonntag zum ersten Mal in seiner Rolle als Tatort-Kommissar in die deutschen Wohnzimmer. Er soll mit rund 12,5 Millionen Zuschauern „der erfolgreichste Tatort der letzen 20 Jahre sein. Das ist auch kein Wunder, bei dem Medien-Interesse und den Kontroversten vorab.

Schweiger polarisiert, das liegt zum einen an den vielen Klischees, die er bedient, zum anderen an seinem nasalen Genöle, das sehr arrogant rüberkommt. Er kriegt die Zähne nicht auseinander, denn er ist der Schweiger, Til … Schweiger. Ich brauche ihn nicht Als Hamburger Tatort-Kommissar.

Til Schweiger alias Nicklas „Nick“ Tschiller wäre gern Action-Held. Im Hamburger Tatort angelangt, zieht er alle Register des Genres. Also Klichees, langeweilige Klischees, die wir schon in amerikanischen Filmchen hundertfach genießen durften: Wilde Schießereien mit etlichen Toten, heftige Schlägereien mit Blut und verbeulter Visage, dramatische Verfolgungsjadgten mit Rettung aus letzter Not, die Unschuld vom Lande und einen geschiedenen Aussenseiter, der seine wahre Liebe nicht bekommen darf, da sein ehemals bester Kumpel, die die Seiten gewechselt hat, sie liebt und später tötet, endliche eine neue Stelle in einem fremden Team antritt, dabei Ärger mit dem Vorgesetzten bekommt (ein beliebtes und geradezu klassisches Motiv im Tatort) und eine Tochter hat, die sich darauf kein Ei backen will. Also nach Actionstrickmuster ein draufgängerischer Super-Polizist mit menschlichen Schwächen (5-Minuten-Ei).

So weit, so normal, also doof-normal. Doof-normal für das Action-Genre, wenn es mit abgehangenen Klischees arbeitet. Und doof-normal nach einem brillanten Komissar, nach einem wirklich neuen, anderen Ermittler, dem unergründlichen, einsamen Undercover-Spezialisten Cenk Batum gespielt vom genialischen Mehmet Kurtulus. Aber lassen wir das, sonst kommen mir noch die Tränen.

Schweiger bringt also wie gewohnt eine Tochter in dem Krimi unter, die seine Tochter spielt. Mit der wohnt er jetzt in Hamburg. Sie muss sich erst einmal einfinden in der neuen Umgebung und er auch. Deshalb möchte Madam morgens von ihrem Vater ein weiches Ei zum Frühstück. Der aber ist zu doof zum Milch holen und vermasselt die Sache. Die Geschichte mit dem Ei – eine geschickte Hommage an den verstorbenen Loriot? – ist der running Gag, der zu einem Action-Krimi dazu gehört wie Mel Gibson zum Alkohol.

Ein Actionheld ist natürlich kein Actionheld und hieße nicht Schweiger, wenn er nicht einen Gegenspieler hätte. Einen echten Bösewicht. Und ein Bösewicht ist um so bösewichtiger, je mehr er die Seiten gewechselt hat und je mehr er mit dem Guten früher ein Team war. Tärä, genauso ist es. Ex-Kollege Max Brenner, brillant gespielt von Mark Waschke, ist so einer. Sie teilen sich sogar eine Frau (die charmante, hübsche Mavie Hörbiger), die am Ende keiner der beiden Kumpels haben darf, weil der eine sie umbringt und der andere Moral zeigt, da sie ja die Alter vom Kumpel ist.

Diesem Max Brenner schreiben sie nun – Buch: Christoph Darnstädt alias Til Schweiger? – einen Satz auf den Leib, der Selbstironie imitieren soll. Max sagt zu Nick: „Und Du bist jetzt beim LKA-Hamburg, Freiwillig oder hast Du Mist gebaut?“

Das wüssten wir auch gerne. Schweiger hat beim Fernseh-LKA-Hamburger jedenfalls nichts zu suchen. Seine Figur bleibt platt, ohne Tiefe und ohne Humor. Dafür aber mit viel Klischee und Geballer. Schweiger darf auch verbal ballern, in dem er hier und da einige als angebliche Selbstironie getarnte Beweihräucherungen zum Besten geben darf („Ich nöhle.“). Warum er als verbeulter Kommissar mit seiner jugendlichen Tochter in einem Bett schläft – wir erinnern uns an das Ei, das spätestens seit Loriot Synonym für Ehealltag gilt – bleibt wie so vieles im Dunkel des Drehbuchs verborgen. Überhaupt: Man hätte alle Szenen mit der Tochter streichen – können sie machten einfach keinen Sinn. Dabei sind Töchter von Tatort-Komissaren sehr beliebt. Meistens von geschiedenen Tatort-Kommissaren. Aber lassen wir das, Stereotype hatten wir schon.

Natürlich durfte am Ende der Showdown nicht fehlen. Auch hier konnte man die Uhr nach stellen. Gegen 21.40 ging das Geballer los. SEK, Blaulicht, Tote und Verletzte, alles was so ein Showdown nach Lehrbuch so braucht. Wollen das die Leute sehen? Derart berechenbar und stumpf?

Ohne Til Schweiger und mit einem anderem Buch wäre das ein richtig guter Tatort

Da fällt mir auf: Wir haben ja noch gar nicht, über den INHALT des Tatorts, über den Fall, den Kriminalfall geredet. Seltsam. Fast gar nicht bemerkt. Weil, vermutlich, sich vorne und hinten alles um Tschick Niller – wie Ditsche ihn nennt – dreht und nicht um die Sache. So erfahren wir, dass es sich um Zwangsprostitution und Menschenhandel dreht, aber wie, woher und weshalb wird nicht beleuchtet. So wie der Komissar selbst, bleiben die Hintergründe und die Geschichte flach wie die norddeutsche Tiefebene. Wir müssen auch nicht groß kombinieren, wie wir es gewohnt sind. Wer macht wie was warum. Spielt alles keine Rolle. Da wird nichts eingewoben in gesellschaftliche Zusammenhänge, da wird kein Polizist gezeigt, der ja nicht nur Polizist ist, sonder ein Mensch. Da gibt es keine Eltern der Mädels, selbst die Freier sind nichts weiter als allerödestes Klischee. Darüber aber wollen wir etwas wissen, das ist Tatort, Hintergrund, Kombination, Kriminalfälle, Ermittlung, Menschelei. Doch Seriosität, Charmanz und Kultur passen nicht zu einem Schill Tweiger.

Nein, von mir aus braucht es keinen Til Schweiger alles tschillernden Tatort-Kommissar. Den Hamburger Tatort kann das Team, allesamt hervorragende Schauspieler, viel besser ohne Nick Tschiller. Da freu ich mich drauf. Die noch folgenden Schweiger-Tatorte können wir uns eigentlich selber schreiben. Strickmuster ist klar, Timing auch, Dialoge legen wir selbstironisch an, den Konflikt mit dem Vorgesetzten bauen wir aus und fertig ist der Lack. Und dann lässt man den Chef etwas sagen, dass den neuen Hamburger Kommissar als tschillernde Persönlichkeit erkennen lässt. So was wie: „… dann fahren Sie nach Hause und kühle Ihre Beulen. Und Ihr Ego.“
Aua, das tat weh.

Und lauschen wir noch kurz der Kiezgröße Kalle Schwensen zum Thema:

„Warum muss ausgerechnet in unserem schönen Hamburg ein so bescheuerter „Tatort“ gedreht werden?“
Dass Schweiger schneller läuft als ein Auto fährt, im Laufen von der Straße aufs Autodach gelangt, um sich dann von oben in die von außen geöffnete Seitentür zu schwingen, einen bewaffneten Gangster entwaffnet und das kurz zuvor gekidnappte Mädchen befreit, lässt die Anfangssequenz, in der er auf die Schnelle 3 Leute erschießt, wie eine realistische Doku erscheinen.
Dass man Geschäftsleuten, die Geliebte ermordet und sie ihm ins Auto legt, nur um ihn zu erpressen, ist sowas von lächerlich, dass das selbst in den Us-Krimis schon seit 30 Jahren nicht mehr gemacht wird.
Schweiger ist wohl der einzige Tatort-Kommentar, der Geld genug hat, um einer Ex mal ebenso ein Linien-Flugticket nach Paris schenkt – was sie in Paris soll weiß kein Mensch.
Wie bescheuert muss man sein, um einen Ex-Elitepolizisten ein bisschen zu verprügeln und ihn dann mit Handschellen an eine Badewannenarmatur fesselt, die schon abbricht, wenn man in der Badewanne ausrutscht und versucht sich daran fest zu halten. Dass er dann rechtzeitig 5 Sekunden vor der obligatorischen Bombenexplosion wieder zu sich kommt und sich, und sogar die Leiche aus der Badewanne, vor der Detonation rettet, damit ist eigentlich schon der Straftatbestand der Beleidigung von normalen Zuschauern erfüllt.

Während Schweiger reihenweise im Alleingang bewaffnete Gangster ausschaltet, lässt sich sein Gegenspieler, ebenfalls ein Ex-Elitepolizist, der die Seiten gewechselt hat, von einem im Rollstuhl sitzenden Polizisten mit einer Krücke verprügeln.
H I L F E ! ! !

Wo Kalle recht hat, hat er recht.

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